Es war ein kühler Herbsttag …

… am 1. November 1973, als Claus und Helga Walter einen großen Schritt wagten. Die Erinnerung an diesen besonderen Tag, als das Ehepaar das als Nähmaschienengeschäft 1909 gegründete Unternehmen übernahm, ist nach wie vor sehr präsent.

LEIDENSCHAFT FÜRS HANDWERK

Claus und Helga Walter, die aus Neumünster stammten, brachten bereits eine gewisse Affinität zur Textilbranche mit. Durch ihre vorherige Tätigkeit bei der Firma Marsian in Neumünster waren sie mit den Feinheiten des Gewerbes bestens vertraut. Die Stickerei war somit kein unbekanntes Terrain, und es überrascht nicht, dass die Leidenschaft für diesen Handwerksberuf bald auf ihre beiden Töchter, Claudia und Christine, übersprang. In den Anfangsjahren wurden die Stickmaschinen noch mit Lochstreifen angetrieben. Neben Stickereien wurden große Fahnen gefertigt sowie Knöpfe, Gürtel und Plissee. Die daraus resultierende Bandbreite an Produkten bildete die Grundlage für das, was die Stickerei heute ist.

Am legandären Würker – einer historischen Stickmaschine, die heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin steht – hat alles angefangen

Am legandären Würker – einer historischen Stickmaschine, die heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin steht – hat alles angefangen.

ALS DER NEUANFANG IN NEUMÜNSTER GELANG

1987 verstarb Claus Walter und seine Frau siedelte die Firma nach Neumünster um. So blieb die Stickerei als Erbe der Familie Walter
fortbestehen. In den folgenden Jahren erweiterte sie kontinuierlich ihre Fähigkeiten und ihren Maschinenpark. 1990 übernahm Gerd Fleischer,
der Bruder von Helga Walter, die Stickerei und trieb die Modernisierung stetig voran. Dabei stand Helga Walter ihrem Bruder als Senior-
Chefin der Familie aktiv zur Seite. Ihre Liebe zur Stickerei und ihre jahrzehntelange Erfahrung sind Inspirationsquelle für das
gesamte Team. Die Mitarbeitenden sind das Herz der Firma und bilden das Fundament für die hohe Qualität, die die Stickerei Walter seit Jahrzehnten auszeichnet.

Claudia Degner, Helga Walter und Christine Walter (v. l.) leiten die Stickerei Walter gemeinsam

ALLES UNTER EINEM DACH

Die Stickerei Walter kann zweifellos als Industrieunternehmen bezeichnet werden. Ihre hochtechnisierten Mehrkopf-Stickmaschinen setzen digitale Daten zur Steuerung ein, wobei die Programme vor Ort erstellt werden. Das
Besondere daran ist, dass hier alles unter einem Dach geschieht – von der Beratung über die Programmerstellung bis hin zur Fertigung. Dieser ganzheitliche Ansatz stellt einen entscheidenden Vorteil dar, da er eine hohe Flexibilität und kurze Reaktionszeiten ermöglicht. Das weiß der
langjährige Firmenkundenstamm zu schätzen.

Im Jahr 2006 übernahm Christine Walter die Stickerei. Vorher hatte sie bereits gemeinsam
mit dem Onkel in der Firma gearbeitet und die Kunst des Punchens erlernt – die Erstellung der Stickprogramme. Mit viel Engagement und
Herzblut führt sie die Stickerei Walter erfolgreich weiter. Im Jahr 2020 kam Claudia Degner, die Schwester, fest mit ins Team, nachdem sie immer schon nebenbei dort tätig war. Somit hat die Familie bis heute eine bewegende Reise hinter sich, Herausforderungen überwunden und Erfolge gefeiert. Auf die nächsten 50 Jahre!

Ein Taufkleid ohne Besitzer

Vor sechs Jahren wurde in der Stickerei Walter in der Gartenstadt ein Taufkleid abgegeben – bis heute hat es der Besitzer nicht abgeholt.

NEUMÜNSTER | Seit vier Jahrzehnten wandern in der Stickerei Walter an der Robert-Koch-Straße in der Gartenstadt tagtäglich diverse Textilien über den Tisch. Nicht jedes fertige Kleidungsstück wird pünktlich von den Kunden abgeholt – doch einen Fall wie diesen hat hier noch niemand erlebt: Ein schneeweißes Taufkleid mit Spitzenbesatz liegt seit sechs Jahren in einer Schublade. Von dem Besitzer fehlt jede Spur. „Wir hatten immer die Hoffnung, dass sich der Kunde eines Tages an das Kleid erinnert“, erzählt Helga Walter, die das gute Stück im Jahr 2008 persönlich in Empfang genommen hat.

Die Stickerei befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Gotenstraße. Namen und Telefonnummer des Auftraggebers hatte sich die Seniorchefin damals nicht notiert. „Ich weiß nur, dass es eine ältere Dame war, die das Kleid abgegeben hat“, sagt Helga Walter mit Bedauern.

Sie hofft, dass die eingestickten Namen und Daten auf die Spur des Besitzers führen: Bernd Mathias (7.4.68), Christian (13.2.71), Vanessa (19.5.75), Thobias Magnus (27.05.06) und Theodor Maximilian (24.05.08). An dem Kleid haftet zudem noch der gelbe Klebezettel mit dem Auftrag und dem Preis: „Theodor Maximilian, 24.05.08, 10 €“.

Warum das Kleid nie abgeholt wurde, ist unklar. Am Preis wird es wohl nicht gelegen haben, denn die zehn Euro werden die Auftraggeberin kaum dazu gebracht haben, auf ein Kleid zu verzichten, das vermutlich seit Jahrzehnten in der Familie weitergegeben wurde. Helga Walter vermutet eher, dass es sich um ein unglückliches Missverständnis handelt. „Vielleicht war die Kundin eine Familienangehörige, möglicherweise eine Tante oder die Großmutter. Es ist gut möglich, dass die Eltern des zu taufenden Kindes gar nichts von der Bestickung wussten und das Kleid seitdem  vermissen“, sagt sie. Ihr liegt am Herzen, dass das Taufkleid nach all den Jahren seinem rechtmäßigen Inhaber ausgehändigt wird: „Es wäre sehr traurig, wenn sich niemand meldet. Solche Erbstücke gehören in die Familie.“

Wer etwas über den Besitzer des Kleides oder die eingestickten Namen weiß, wird gebeten, sich bei der Stickerei Walter in der Robert-Koch-Straße 1 unter Tel. 71115 zu melden.

Das Taufkleid ist wieder zurück in der Familie

Sechs Jahre lang bewahrte die Stickerei Walter in der Gartenstadt ein Taufkleid auf, das nicht abgeholt wurde. Jetzt meldete sich der Besitzer.

NEUMÜNSTER | Als Helga Rinne am Dienstagmorgen am Frühstückstisch saß und den Courier aufschlug, traute sie ihren Augen nicht. Auf einem großen Foto im Lokalteil erblickte sie ein weißes Taufkleid.

„Ich wurde sofort stutzig, weil es unserem Familienerbstück sehr ähnlich sah“, erinnert sie sich. Als sie den Artikel las und die Namen ihrer Kinder und Enkel entdeckte, schlug die Verwunderung in Freude um.

2008 hatte Helga Rinne das Kleid in der Stickerei Walter abgegeben, um nach der Taufe ihres Enkels Theodor Maximilian dessen Namen einsticken zu lassen. Was dann passierte, kann sie sich im Nachhinein auch nicht recht erklären. „Ich habe damals keinen Schein bekommen und schlicht und ergreifend vergessen, das Kleid wieder abzuholen“, erklärt sie belustigt.

Der Courier-Artikel schlug unterdessen nicht nur in Neumünster hohe Wellen. Helga Rinnes Sohn Bernd Mathias, der inzwischen in Wien lebt, entdeckte den Bericht im Internet und setzte sich umgehend mit seiner Mutter in Verbindung. Auch Nachbarn meldeten sich bei der Familie, um auf das verschollene Kleid hinzuweisen.

Noch am gleichen Tag machte sich die 71-Jährige auf den Weg in die Stickerei, um das Erbstück wieder abzuholen. „Alle in der Familie sind sehr glücklich, dass das Kleid wieder da ist“, sagt sie .

Und auch bei Helga Walter, Seniorchefin der Stickerei, ist die Erleichterung groß: „Wir freuen uns sehr, dass das Kleid wieder da ist, wo es hingehört. Es war ein merkwürdiges Gefühl, so viele Jahre im Besitz fremden Eigentums zu sein.“

Vom Taufkleid bis zur Laptop-Tasche

Neumünster (ml) Bei manchen Unternehmen kann man sich kaum vorstellen, dass es sie noch gibt und dass sie den Sprung ins Heute wirtschaftlich erfolgreich meistern konnten. So ging es uns, als wir im Rahmen der Nord- Gate auf die Stickerei Walter aufmerksam wurden. Eine Firma, die sich heutzutage noch ausschließlich um das Sticken kümmert und diese Arbeitsprozesse mit ihren Mitarbeitern in Neumünster und nicht irgendwo in Asien umsetzt, das geht, fragten wir uns?

Foto: Können auf eine erfolgreiche Firmengeschichte blicken: Helga und Christine Walter.
Können auf eine erfolgreiche Firmengeschichte blicken:
Helga und Christine Walter.
Nun, um es gleich vorweg zu nehmen: das funktioniert sogar ganz hervorragend, wie uns Geschäftsführerin Christine Walter bei unserem Besuch klarmachte. Aber erst einmal der Reihe nach. Beginnen wir mit einem Blick in die Firmengeschichte: „Meine Eltern waren bei Marsian, damals einer der ganz großen Arbeitgeber in Neumünster, der sich auf die Fertigung von Damenoberbekleidung spezialisiert hatte, beschäftigt.
Wie es abzusehen war, dass es dort wirtschaftlich bergab ging, bot sich ihnen 1973 die Gelegenheit, eine Stickerei in Kronshagen zu erwerben. Später übernahm mein Onkel die Firma und wir wechselten zurück nach Neumünster“, so Christine Walter, die nun selber seit 2006 das Unternehmen erfolgreich führt.

Natürlich musste sich die Stickerei Walter den technischen Neuerungen stellen. Diese Anforderungen wurden aber konsequent umgesetzt und so gelang der schwierige Schritt vom „Pappstreifen zu EDV“. Nur einige Begriffe aus der alten Zeit finden auch heute noch Verwendung so Christine Walter: „Das Herstellen der Strick-Programme nennt man auch heute noch ‚Punchen’, was früher den Arbeitsgang der Perforierung der einzelnen Pappstreifen bezeichnete“. Dreizehn Mitarbeiter beschäftigt die Stickerei Walter insgesamt. Und bestickt wird, was das Kunden- Herz begehrt: von Bekleidung, Basecaps, Taschen, Handtüchern, Kissenbezügen, Taufkleidern über Schabracken und Vereinswimpeln bis hin zu Laptop-Taschen. Das Kundenklientel reicht vom Privatkunden über Vereine bis hin zu großen Firmen.

„Wir haben einen festen Kundenstamm und eigentlich kommen alle immer wieder gerne zu uns. Das liegt neben unserem hohen Qualitätsanspruch auch daran, dass der Kunde bei uns von der Beratung bis hin zum fertigen Produkt alles aus einer Hand erhält“, so die Geschäftsführerin stolz. Aus diesem Grund betrachtet sie auch ganz optimistisch die Entwicklung der kommenden Jahre. Angst vor der Zukunft hat Christine Walter nicht: „Ich erfahre eine großartige Unterstützung durch die Familie und habe ein tolles Mitarbeiterteam. Ich bin tatsächlich wunschlos glücklich!“